Unsere Philosophie
„Ich schätze die ganzheitliche Arbeit sehr, die den Körper und den Geist zusammenbringt“.
„Selbstwahrnehmung und persönlicher Ausdruck werden gelehrt und sind ausdrücklich gefragt“.
„Ich glaube, dass der Eindruck zu groß ist, um ihn in Worte zu fassen". (Stimmen von Teilnehmern)
Warum Yiddish Summer Weimar anders ist:
1. Eine Lerngemeinschaft, kein Einkaufszentrum
Vieles trägt zum besonderen Charakter des Yiddish Summer Weimar bei. Wir beginnen mit überragenden Lehrern und Künstlern. Dazu wird jedes Jahr ein besonderes Thema gewählt, das alle Workshops, Konzerte, Tanzabende, Jamsessions, Symposien und andere Veranstaltungen verbindet. Wir interpretieren Traditionen als Ausdruck interkultureller Prozesse, nicht als erstarrte Objekte, und so legen auch unsere Arbeitsmethoden eher den Wert auf Prozesse und Fragen als auf Antworten.
Kulturen zeigen viele Formen des Ausdrucks, wie Instrumentalmusik, Vokalmusik, Tanz und vieles mehr. Statt dem Konzept „Einkaufszentrum” zu folgen, bei dem eine große Anzahl von Teilnehmern aus parallel laufenden Kursen auswählt und einander womöglich nie begegnet, schaffen wir bewusst Zeit und Raum für ein Thema passend zur Zeit, in kleineren Workshops, die bis zu einer Woche dauern. Die begrenzte Anzahl von Dozenten und Teilnehmern und ein einziger Schwerpunkt erlauben es uns, eine Lerngemeinschaft zu bilden. Dies alles trägt zu der legendären Intensität der Weimarer Workshoperfahrung bei.
Genauso wichtig ist ein Ansatz, der viele Arten des Lernens integriert – intuitiv, kinetisch, emotional, intellektuell, praktisch und theoretisch. Beinahe alle Teilnehmer entdecken, dass sie in einigen dieser Bereiche stark sind und in anderen weniger entwickelt. Die Workshops fordern sie heraus, auf Arten zu wachsen, die weit über die Themen des Festivals hinausgehen. Viele Teilnehmer erfahren Veränderungen, die noch lange nach ihrer Heimkehr andauern.
Unsere Teilnehmer und Dozenten kommen oft aus mehr als 20 Ländern und sprechen viele Sprachen. So ist die Kommunikation selbst eine Herausforderung und bildet sich auf vielen verbalen und nonverbalen Ebenen. Harte Arbeit und das Verdauen neuer Information während des Tages werden durch sehr freie abendliche Jamsessions und Tänze in den Weimarer Cafés ausgeglichen, wodurch soziale Beziehungen und Netzwerke wachsen und das Festival in das wirkliche Leben der Menschen hineingetragen wird. Zum Schluss: die Konzerte und andere öffentliche Veranstaltungen sind keine Leistungsprüfungen, sondern Gelegenheiten, die intensive Arbeit einer Woche auf eine höhere Entwicklungsstufe zu bringen und mit einem größeren Publikum zu teilen.
Ja, Yiddish Summer Weimar ist ein Musik- und Kulturfestival – aber darüber hinaus eine Chance, Grenzen zu hinterfragen, Verbindungen aufzubauen und durch die Begegnung mit anderen zu wachsen.
Warum Yiddish Summer Weimar anders ist:
2. Erst das Gelände, dann die Landkarte
Alfred Korzybski (1879-1950), der Begründer der Allgemeinen Semantik, bemerkte: „Die Landkarte ist nicht das Gelände.” Das bedeutet: verwechsle die Darstellung der Dinge nicht mit den Dingen selbst. Im Falle der Musik ist die Darstellung das Notenblatt, und das dargestellte Ding ist Klang – Musik. Trotzdem lernen die meisten von uns im Westen Musik, indem wir erst lernen, Noten zu lesen. Dadurch entfernen wir uns weit von der Landschaft der Musik selbst. Unser Ansatz für den Yiddish Summer Weimar und die Winter Edition ist immer, mit Musik als Klang zu beginnen – lernen "nach Gehör" genannt. Wie merkwürdig, dass es dafür einen besonderen Begriff gibt! Wir lernen schließlich nicht, "nach Sicht" zu malen, oder "nach Bewegung" zu tanzen.
Wenn man Musik "nach Gehör" lernt, lernt man nicht nur eine Melodie oder Harmonie oder ein Stück, sondern eine Art der Wahrnehmung, die dem musikalischen Gegenstand selbst perfekt angepasst ist. Aus diesem Grund nehmen wir uns viel Zeit, Musik direkt von Menschen zu lernen, so wie Musik traditionell von Mensch zu Mensch und Generation zu Generation übermittelt wurde. Traditionelle (oder "Folk"-) Musik ist perfekt für diese Arbeitsweise geeignet – wäre sie es nicht, wären wir nicht imstande, sie schnell zu lernen und zu behalten. "Folk"musik nach Gehör zu lernen ist demnach ein Weg, direkt das Gelände der Musik zu erkunden, und nicht die Landkarte. Ein anderer Weg ist Improvisation. Wenn man improvisiert, achtet man auf seine eigenen musikalischen Impulse und folgt ihnen. Es gibt keinen Zwischenschritt, der Klangimpulse in ein System visueller Darstellung (Noten) überträgt und dann in Klang zurückübersetzt. Um ganz deutlich zu sein: Noten sind sinnvoll, so wie Landkarten es sind, und auch wir arbeiten mit Noten im Yiddish Summer Weimar. Aber erst, nachdem wir Musik als Klang verstehen. Erst das Gelände, dann die Landkarte.
Dr. Alan Bern
Übersetzung: Christian Dawid